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Eine grundsätzliche Klärung

variety of sliced fruits
Photo by Brooke Lark on Unsplash

Man ist, was man isst – auch bei der geistigen Kost

Wer man als Mensch ist, basiert auf dem, was einem im Laufe eines Lebens begegnet und herausfordert. Das ist es, was uns Menschen ‚erzieht’. Was uns insgesamt begegnet, ist aber auch das, was wir gezielt zu unserer ‚Bildung‘ von anderen Menschen angeboten bekommen. Das kann unser Mensch-Sein erweitern und dazu beitragen, ein Mensch-Sein gezielt und mit Bedacht zu entfalten.
Diese heute auch neurowissenschaftlich fundierte Überlegung bestätigt, was ‚eigentlich‘ schon vor 200 Jahren mit der Begründung der wissenschaftlichen Pädagogik durch Johann Friedrich Herbart, dem Nachfolger auf Immanuel Kants Lehrstuhl, ‚klar‘ war: Die Qualität und Wirksamkeit von Erziehung und Bildung hängt wesentlich von der angebotenen „geistigen Diät“ ab. Und so gilt damals wir heute:
„Die Erzieher hören nicht auf zu klagen, wie viel ihnen die Umstände verderben, die Bedienten, Verwandten, Gespielen, der Geschlechtstrieb und die Universität! Natürlich genug, wenn da, wo mehr der Zufall als menschliche Kunst die geistige Diät bestimmte, bei der oft so magern Kost nicht immer eine robuste Gesundheit hervorblüht, die allenfalls dem schlimmen Wetter trotzen könnte“ . (Herbart (1806), S. 17).

‚Eigentlich‘ ist das, wie so vieles, schon lange ‚klar’, sodass sich die grundsätzliche Frage stellt, wann und wie wissenschaftliches „Klären“ im Bereich von Erziehung und Bildung zu einem „Verändern“ der Praxis führt und woran es liegt, dass hier das Praktisch-wirksam-Werden von Wissen vielfach genau nicht passiert. Auch mit dieser Frage gilt es sich zu beschäftigen und in den Austausch mit Autoren/Menschen anderer menschwissenschaftlicher Denkzusammenhänge zu gehen, die sich ebenfalls mit dem Praktisch-Werden von wissenschaftlichen Klärungen beschäftigen: Eric Kandel, Brian Massumi, Jean-Luc Nancy, Moshé Feldenkrais, Erich Fromm, Buckminster Fuller, Georg Franck, Walter Benjamin, Francois Jullien sowie, basal und immer wieder, Hannah Arendt. Was die Idee einer neuen, wissenschaftsbasierten Bildungspraxis mit diesen Autor:innen verknüpft, ist ihre ‚Haltung‘ zur menschlichen Welt, in der alle Genannten Entfaltungspotenziale sehen, einer Haltung, mit der sie antreten, zu der Entfaltung dieser Potenziale beizutragen. Diese Haltung ist auch verbunden mit der Einsicht, dass es einen Unterschied macht, ob man sich kümmert oder nicht und sie ist verbunden mit der Zuversicht, dass es eigentlich immer Chancen zum Finden neuer Wege und für Auswege aus Sackgassen geben kann, wenn man das ‚Spiel’ bzw. die Logik einer Sache zunächst verstanden hat.

Wer mag sich ‚Kümmern‘, verbunden mit der Zuversicht, dass ein neues ‚Spiel‘ möglich ist?

Die Literatur:

Herbart, Johann Friedrich (1802): Die ersten Vorlesungen über Pädagogik. In: Ders.: Pädagogische Schriften. Hg. von Walter Asmus. 3 Bände. Düsseldorf, München 1964-1965. Bd. 1 S. 121-131

Herbart, Johann Friedrich (1804): Über die ästhetische Darstellung der Welt als das Hauptgeschäft der Erziehung. In: Ders.: Pädagogische Schriften. Hg. von Walter Asmus. 3 Bände. Düsseldorf, München 1964-1965. Bd. 1 S.105-12

Herbart, Johann Friedrich (1806): Allgemeine Pädagogik, aus dem Zweck der Erzie­hung abgeleitet. In: Ders.: Pädagogische Schriften. Hg. von Walter Asmus. 3 Bände. Düsseldorf, München 1964-1965. Bd. 2 S. 9-158